Mit ihm hat die Experimental-Fliegerei begonnen und auch der Igo Etrich Club: Rudolf Holzmann
Rudolf Holzmann ist der wahre „Ur-Pionier“ des Igo Etrich Clubs. Ohne ihn gäbe es den Club gar nicht. Mit dem Selbstbau und vor allem der Zulassung seiner Maschine hat alles eigentlich erst begonnen.
Denn damals, zu Beginn der sechziger Jahre, hatte die Aufsichtsbehörde für selbstgebaute Flugzeuge nicht einmal eine eigene Klasse vorgesehen. Das bedeutete, man konnte zwar ein Flugzeug bauen, unter behördlicher Aufsicht natürlich, dieses erhielt dann auch eine Zulassung und zwar die gefürchtete Musterzulassung. Sie sah vor, daß jeglicher Wartungshandgriff von einem professionellen Flugzeugmechaniker gemacht werden mußte. Das ging so ins Geld, daß das Betreiben einer selbstgebauten Maschine genauso teuer war wie die Haltung einer Cessna oder Piper.
Rudi war nicht der einzige, den dieser Zustand störte. Er war nur der erste, der den langen Marsch durch die Institution BAZ (Bundesamt für Zivilluftfahrt) antrat und verbissen durchhielt. Und er hatte Glück dabei.
Im Jahr 1978 fiel ihm eine amerikanische Zeitschrift in die Hand, in der ein sehr kleiner, schnittiger Kunststoff-Flieger beschrieben war: Die in Fachkreisen berühmte KR 2 des US-Konstrukteurs Ken Rand. Den angegebenen Maßen zufolge müßten Rumpf und Flügel in Rudis Garage passen. Daß Maschinen wie diese in der Schweiz oder in Frankreich in der experimental-Klasse geflogen und vom Hersteller auch gewartet werden konnten, das wußte er. Rudi wollte die Einführung der Experimental-Klasse auch in Österreich durchsetzen. Er kaufte die Pläne und suchte um die Baubewilligung an. Sie wurde erteilt. Die technischen Fähigkeiten brachte er als jugendlicher Modellflieger und später als gelernter Funktechniker bei der OKA (heute Energie AG Oberösterreich) mit.
Nun ging es ans Werk. Das Wohnzimmer im neuerrichteten Eigenheim im oberösterreichischen Attnang war noch nicht verputzt und wurde kurzerhand als Werkstatt zweckentfremdet. Diese Lösung hatte technisch gesehen den Vorteil, daß es keine Probleme mit der Heizung gab. Konstruktionen aus glasfaserverstärktem Kunststoff (wie die KR 2) brauchen Raumtemperatur um auszuhärten. Familienpolitisch brachte die Lösung mit dem entstehenden Rumpf im Wohnzimmer natürlich Nachteile – irgendwie arrangierte man sich. Gottseidank hatte der Rumpf bald Ausmaße angenommen, deren Überschreitung ein Weiterbauen im Wohnzimmer nicht mehr zuließ – das Ding wäre aus dem Wohnzimmer nicht mehr hinauszubringen gewesen.
Sechs Jahre dauerte es bis zum Erstflug. Rudi hatte während dieser Zeit jedoch mit anderen Schwierigkeiten zum kämpfen als die Kollegen nach ihm. Er hatte kaum Leute, die er um Rat fragen konnte und er arbeitete mit dem Harz, das man eben damals verwendete. Es war spürbar giftiger als die heute verwendeten Sorten. Natürlich hat er sich die Allergie zugezogen.
Die Maschine, die er sich ausgesucht hatte, wurde als Zweisitzer verkauft (verkauft wurden genaugenommen nur die Pläne, das Material mußte sich jeder selbst zusammensuchen). Der Rumpf war jedoch für einen echten Zweisitzer entschieden zu schmal. Also überlegte er, ob er nicht einen Einsitzer daraus machen sollte. Letztlich wurde ihm die Entscheidung von der Zulassungsbehörde mehr oder weniger abgenommen. Wenn schon eine neue Zulassungs-Klasse für experimental-Flugzeuge geschaffen werden mußte, dann wollte man klein anfangen, und als erste Maschine nicht gleich eine zweisitzige zulassen.
Damals gingen im Bundesamt für Zivilluftfahrt viele Beamten in Pension und es rückten jüngere nach. Das erwies sich als großes Glück für die Flugzeugbauer. Denn die jüngere Mannschaft stand der Einführung der experimental-Klasse entschieden aufgeschlossener gegenüber als die alte. Jedenfalls war es zu der Zeit immer noch noch Standard, daß man die Bewilligung zum Fliegen alle drei Monate verlängern lassen mußte.
Wie befürchtet verlangte die Behörde die Vorlage der Konstruktions-Berechnung. Ein Brief an den Konstrukteur brachte Rudi nur eine nichtssagende Antwort. Also wandte er sich an Willi Lischak, den er bereits kannte. Mit seiner Hilfe ließ sich diese Hürde schließlich nehmen. Eines Tages kam ein anderer bekannter Flieger, Alois Krennmeir, vorbei um zu sehen, wie weit die Maschine schon gediehen war. Was er sah, hat ihn offenbar so überzeugt, daß er bald darauf selbst mit dem Bau seiner Pottier 50 begann.
Von 1978 bis 84 hat es gedauert, bis das erste österreichische experimental-Flugzeug fertig war. Dann kam der große Tag. Den Jungfernflug unternahm aber nicht der Erbauer der Maschine, sondern der Chef der Abteilung Flugtechnik des BAZ, Dr. Ottokar Lhotsky. Das Flugzeug flog brav und folgsam. Im Zuge der Erprobung stellte sich dann heraus, daß die Steuerung um die Querachse zu wünschen übrig ließ. Jetzt war guter Rat teuer. An einer ausgearbeiteten Konstruktion ändert man nur dann etwas, wenn man sich seiner Sache sicher ist. Das war Rudi nicht.
Bei einem Besuch in Vöslau kam er einmal bei Ing. Rüdiger Kunz vorbei, den er persönlich nicht, aus der Literatur dafür umso besser kannte. Bevor er ihn noch empfing, rief Rüdiger ihm vom Fenster herunter zu: „Das Höhenleitwerk ist zu klein!“ Tatsächlich besserte sich die Steuerfolgsamkeit des Flugzeuges nach Vergrößerung der Leitwerksfläche radikal.
Im Zuge der Erprobung offenbarte die Maschine eine zweite Schwachstelle: Das Einziehfahrwerk. Die Räder waren zu klein und die Bremsen zu schwach. Also wurde wieder umkonstruiert. Die Lösung war schließlich die Verwendung von fix montierten GFK-Beinen mit Titan-Beschlägen zur Radbefestigung. Titan hat eine deutlich höhere Festigkeit als Aluminium, ist aber schwer zu bearbeiten. Rudi hatte damals die Möglichkeit, in einem Betrieb in Attnang Titanteile fachgerecht zu bearbeiten und das nützte er aus. Es wurden auch hydraulisch betätigte Scheibenbremsen eingebaut. Dann war die OE-AHR endlich so wie er sie sich vorgestellt hatte.
Später bekam sie dann noch große Flächentanks (76 statt 56 Liter), mit denen Nonstop-Flüge nach Moulins in Mittelfrankreich problemlos möglich waren.
Im Jahr 1987 war die kritische Masse an Leuten, die gern ein Flugzeug bauen würden, schließlich erreicht. Unter der Leitung von Rudi Holzmann wurde der Igo Etrich Club Austria gegründet. Es war auch höchste Zeit, denn in den Nachbarländern Deutschland, Schweiz oder Frankreich flogen bereits viele selbstgebaute Maschinen, nur in Österreich nicht.
42 Personen waren bei der Gründungsversammlung des Igo Etrich Club. Alle ihre Namen heute noch herauszufinden, das wird wahrscheinlich nicht mehr möglich sein. Rudi erinnert sich, daß neben den berühmten alten Mitgliedern wie Willi Lischak, Hubert Keplinger, Hermann Eigner, Alois Krennmeir auch etliche dabei waren, „die glaubten, sie bauen ein Flugzeug.“
Bis zur Gründung des Igo Etrich Clubs hatte es wahrscheinlich kein Mensch in Österreich für möglich gehalten, daß jeder Laie ein Flugzeug bauen und auch betreiben kann. Seither sind Dutzende Selbstbau-Flugzeuge zugelassen worden, deren Erbauer keine technische Ausbildung haben. Allen gemeinsam ist jedoch das Interesse an der Fliegerei und ihrer Technik, der Wille, dazuzulernen und eine gehörige Portion Ausdauer.
Um die Jahrtausendwende beschloß Rudi die Fliegerkarriere zu beenden. Sie hatte begonnen, als er mit 16 Jahren am Bau eines Segelflugzeuges (SG 38) mitarbeitete, das in einem Verein in Vöcklabruck entstand. Geflogen wurde es an einem Hang in Schörfling.
Den letzten Flug unternahm er mit 65 Jahren, dann verkaufte er seine KR 2, die ihm (und Dr. Lhotzky) 413 Flugstunden lang Freude bereitet hatte.
An pensionsbedingter Langeweile leidet er dennoch nicht. Er betätigt sich ehrenamtlich in verschiedenen sozialen Bereichen.
Aber sein Igo Etrich Club hat ihn nicht losgelassen. Die Hauptversammlung im Frühjahr und das sommerliche Treffen aller Clubmaschinen samt Piloten im Hochsommer sind für Rudi Holzmann Pflichttermine. Und das werden sie bleiben.
Die Maschine
Kennzeichen: OE-AHR
Type: KR 2
Max. Abfluggewicht: 405 kg
Spannweite: 6,4 m
Bauweise Rumpf: Fachwerk mit Birkensperrholz beplankt
„ Flügel: Holz/Schaumstoff/GFK
Motor: VW 1.700; Kurbelgehäuse: Limbach; Kolben: Mahle; Auspuff, Ansaugsystem: Selbstbau
Hubraum: 1.700 ccm
Treibstoffverbrauch: 12 l/h
Leistung: 50-60 PS
Propeller: Mühlbauer
Erstflug: 13. Dezember 1984